St Davids – Großbritanniens kleinste Stadt
Eine Stadt mit knapp 2.000 Einwohnern. Gibt´s nicht? Gibt´s ja wohl! St Davids im Südwesten der walisischen Halbinsel ist die kleinste Stadt Großbritanniens. Zu verdanken hat die Ministadt ihren Titel der St Davids Cathedral, die aus den gerade mal vier Straßen und wenigen Gässchen eine waschechte City machte.
St Davids wusste sich allerdings schon immer gut zu vermarkten. Als angeblicher Geburtsort und gleichzeitige Grabstätte des nationalen Schutzpatrons, blickt Wales´ heiligste Stätte auf mittlerweile mehr als 1.500 Jahre Wallfahrtsgeschichte zurück. Richtig interessant wurde es in der kleinsten Stadt Großbritanniens aber erst, als Papst Callistus II. den ehemaligen Bischof des Küstenstädtchens 1123 heilig sprach und nur ein Jahr später die Ansicht verbreitete, 2 Pilgerreisen nach St Davids seien gleichzuordnen mit einer Reise nach Rom, 3 Abstecher in die Ministadt sogar als Equivalent einer Wallfahrt nach Jerusalem anzusehen.
Heute zieht die kleinste Stadt Großbritanniens seine Besucher allerdings eher wegen des benachbarten Küstenstreifens an, der mit seinen weißen Sandstränden und vorgelagerten Inselchen vor allem bei englischen Touristen sehr beliebt ist. Trotzdem rangieren die mittlerweile über 800 Jahre alte St Davids Cathedral sowie der angrenzende Bischofspalast weiterhin unter den Top Sehenswürdigkeiten des Pembrokeshire Coast National Park.
St Davids Cathedral
Die Wurzeln der St Davids Cathedral reichen bis ins 6. Jahrhundert, als der heilige David hier ein Kloster errichten ließ. Die heutige Kathedrale wurde allerdings erst im 12. Jahrhundert im normannischen Stil erbaut und gilt als letzte größere Kirche dieser Epoche innerhalb Großbritanniens.
Dann kam die Reformation und mit dem Tudorkönig Henry VIII. die Anordnung zur Auflösung aller Klöster und vieler anderer katholischen Bauten auf englischem Boden. Aber auch diesmal wussten die Einwohner von St Davids sich zu helfen und griffen zur List, wie uns der nette Herr mit der Spendendose kichernd erzählt. Um der kompletten Zerstörung der St Davids Cathedral vorzubeugen, verfrachtete man kurzerhand den Sarkophag des Königvaters inklusive dessen sterblicher Überreste in die geliebte Kathedrale. Der Sohnemann verschonte die neue väterliche Ruhestätte und St Davids behielt seinen Besuchermagneten.
Bis heute hat die St Davids Cathedral nichts von ihrer Faszinationskraft eingebüßt. Wie ein grimmiger Riese ruht die reich verzierte Eichenholzdecke auf scheinbar endlosen Reihen betagter Steinpfeiler und schert sich nicht im geringsten um die schüchternen Strahlen der Nachmittagssonne, die sich ihren Weg durch die farbenfrohen Kirchenfenster bahnen. Ein Blick genügte und mir war klar: Ich würde die zwei Pfund für den Fotoausweis definitiv berappen!
Bischofspalast von St Davids
Trotz der beeindruckenden Inneneinrichtung der Kathedrale, wird einem der Pomp der katholischen Kirche erst bei der Besichtigung des ehemaligen Bischofspalastes so richtig vor Augen geführt. Wenn man durch die Überreste des einstigen Prachtbaus schlendert, kann man sich nur schattenhaft ausmalen, wie es wohl gewesen sein muss, St Davids in seinen Glanzzeiten zu erleben. Wenn sie sich nach wochen- oder gar monatelanger Pilgerfahrtr plötzlich vor dem bischoflichen Prunkschloss wiederfanden, konnten die Gottesfürchtigen wohl nicht anders als vor soviel Pracht und Herrlichkeit zu erzittern.
Riesige Speisesäle, luxuriöse Privatgemächer und eine ganze Armada an Personal im Untergeschoss. Man hört die Teller förmlich klirren und riecht die Tauben, die auf dem offenen Feuer vor sich hinrösten. Man spürt, wie die Decke durch die Musik im Festsaal erzittert und ärgert sich über das Gelächter der katholischen Oberhäupter, die sich an langen Tischen die Bäuche vollschlagen. Und man wundert sich, wie so ein Meisterwerk menschlichen Größenwahns einfach dem Verfall preisgegeben werden konnte. Und plötzlich ist sie da, die Erkenntnis, dass wirklich alles auf dieser Erde vergänglich ist. Und dass der Ausflug in Großbritanniens kleinste Stadt sich definitiv gelohnt hat!