Argentiniens verlorener Sohn – Die Geschichte von Ernestito und Che Guevara
Che Guevara war kein Kubaner.
Das sollte eigentlich jeder wissen. Wer es allerdings noch nicht weiß, wird in Argentinien schnell eines Besseren belehrt! Denn hier prunken sogar in der gottverlassen Provinz von Misiones riesige Werbeplakate mit dem argentinischen Helden am Straßenrand!
Kindheitsträume in Caraguatay
Man muss sich den Bundesstaat Misiones so vorstellen: flache Buschlandschaft, ein paar verfallene Jesuitenabteien im Dschungel (Indiana Jones lässt grüßen), und geradlinige Dirt Roads. Außer sich mit Malaria anstecken zu lassen, gibt es hier wirklich nicht all zu viel zu tun.
Und plötzlich sehe ich da ein großes Schild: Che Guevara Museum! Ich halte das Auto an, schaue auf die Karte und stelle fest: Wir sind in Caraguatay. Noch nie gehört.
Hier soll es also ein Che Guevara Museum geben? Wir sind erst einmal unsicher. Auch die Bewohner der armseligen Lehmhütten am Straßenrand verstehen unser Vorhaben nicht, als wir nach links in die Schotterpiste einbiegen.
Nach etwa drei Kilometern ist noch immer nichts vom Che zu sehen. Wir schauen auf den Benzinstand unserses Toyotas. Ein paar Kinder in zerrissenen Hosen spielen Fußball auf einem anliegenden Feld. Wir fragen nach, doch die Kinder verstehen uns nicht.
Zum Glück kommt uns ein Fahrzeug entgegen. Der Ranger am Steuer lächelt uns an: „Che Guevara? Sí, sí!“ Nach weiteren drei Kilometern verstehen wir seine freundige Stimmung: Hier waren bestimmt schon seit Jahren keine Besucher mehr.
Das bestätigt auch die Führerin des Museums unfreiwillig: Bis ins kleinste Detail erklärt sie alles Mögliche über das Haus, die Region und den kleinen Ernestito, der hier sage und schreibe anderthalb Jahre gewohnt haben soll. Vom Haus stehen eigentlich nur noch die Grundrisse. Doch das heißt noch lange nicht, dass es dazu keine Geschichten gibt. Schade nur, dass wir kein Wort Spanisch sprechen.
Ches Geburtshaus in Rosario
Einmal vorweg: Rosario ist eine hässliche Stadt. Die Hauptattraktion ist das leicht nationalsozialistisch angehauchte Monument für den Erfinder der argentinischen Flagge. Ansonsten gibt es hier noch eine verlassene Fußgängerzone und den braunen Fluss Paraná.
Doch genau hier sah Che das Licht der Welt! Also machen wir uns auf zu seinem Geburtshaus in der Entre Ríos 480.
Leider sind wir auch diesmal die einzigen Touristen. Zum Glück gibt es den freundlichen Straßenverkäufer José, der uns bestätigt, dass das unscheinbare Appartment wirklich das Geburtshaus von Che Guevara ist. Und jetzt sehen wir es auch: Es gibt sogar ein Schild zur Bestätigung! Ich hatte es nur für die Markierung einer Bushaltestelle gehalten.
Für alle, die jetzt extra nach Rosario fahren möchten: Nein, man kann das Haus nicht besuchen!
Che Guevara in Córdoba
Ja, Che ist häufig umgezogen! Der Revolutionär war nämlich Asthmatiker, wodurch ihm die stickige Luft des Dschungels und der Smog der Großstadt nicht wirklich gut bekamen. Aus dem Grund zog die Familie in das höher gelegene Córdoba.
Eigentlich liegt das Haus des Che gar nicht in Córdoba, sondern in Alta Gracia. Seit 2001 werden in der Villa Beatriz zahlreiche Gegenstände des Wahlkubaners ausgestellt, darunter seine Lieblingszigarren (Montecristo) und seine Uniform.
Wer sich für den Literaturgeschmack des Ernesto interessiert, wird hier ebenfalls aufgeklärt: Jules Vernes, Freud und Baudelaire. Im Kampf gegen den kubanischen Diktator Batista, las er übrigens eine Biografie von Goethe. Und für alle, die Motorcycle Diaries gesehen haben: Hier steht auch das Motorrad, mit dem Che durch Lateinamerika tuckerte!
Das Haus in Alta Gracia ist mit Abstand das beste Che Museum in Argentinien. Kein Wunder also, dass die gesamte kommunistische Prominenz sich bereits die Ehre gab: Vor ein paar Jahren besuchte Fidel Castro das Museum zusammen mit Hugo Chavez.
Spätestens hier wird definitiv klar: Che war kein Argentinier. Um es mit den Worten des venezolanischen Expräsidenten zu sagen: Che war ein echter Bolivaner! Ein Kind Südamerikas.