Von Höhlensystemen und Aussichtspunkten – Touristenabzocke oder echte Sehenswürdigkeiten? (Tag 2)
Heute läuft alles nach Plan! So zumindest lautete die Devise am Anfang des zweiten Tages. Mit ein paar Keksen gestärkt und voller Zuversicht machten wir uns auf den Weg, und es dauerte auch nicht lang, da wurde allen klar: Mission gescheitert! Kurz nicht aufgepasst, im Kreisverkehr die falsche Ausfahrt gewählt, und schon ist der gute Vorsatz dahin. Also gings statt auf die Autobahn im Landesinnern (falls man auf Lanzarote denn überhaupt von Autobahn und Landesinnerem sprechen kann) vorbei an Arrecife wieder mal Richtung Costa Teguise. Aber wie es das Glück so will, verdanken wir nur diesem unvorhersehbaren Umweg eines der besten Fotomotive des ganzen Urlaubs. Denn kurz hinter der Hauptstadt, zwischen Containerhafen und Erdöldistillerie liegt ein verrostetes altes Schiffswrack, in dessen Nähe Taucher auf Muschelsuche gehen.
Jameos del Agua: natürliche Grotten oder künstliche Touristenanlage?
Nach diesem kurzen Zwischenstop haben wir unser Ziel aber wieder scharf vor Augen. Es lautet: Jameos del Agua. Diese von Touristen überlaufene Attraktion im Nordosten der Insel wurde – wie sollte es anders sein – natürlich von César Manrique entworfen und erinnert eher an eine gepflegte Hotelanlage als an ein natürliches Höhlensystem. Über eine Wendeltreppe gelangt man in eine Grotte, in der sich ein Selbst-Service-Restaurant ausgebreitet hat. Dieses erstreckt sich bis zu einem kleinen See, in dem es nur so von Albinokrebsen wimmelt. Dies erklärt dann auch, warum man immer wieder Urlauber sieht, die das Wasser anblitzen. Bitte nicht nachmachen! Macht nämlich eh keinen Sinn und stört nur die sowieso sehr kurzlebige Idylle. Denn vorbei an den schönen Lichtspielen, die die Sonnenstrahlen im Zusammenspiel mit dem unterirdischen See entstehen lassen, und welche den Zuschauer einen kurzen Augenblick träumen lassen, gelangt man zu einem weiteren Café am anderen Ende der Grotte. Nach kurzem Treppensteigen erblickt man aber schnell wieder das Tageslicht, doch kann man auch hier nicht mehr von einem natürlichen Schauspiel sprechen. Denn aus irgendeinem Grund meinte Manrique wohl hier eine Art Swimmingpool anlegen zu müssen, in dem das Schwimmen aber wohl nicht gestattet ist, denn niemand wagt sich ins kühle Nass. Stattdessen müssen nun alle ein Foto vor dem Schwimmbecken haben – als ob sie noch nie ein solches gesehen hätten. Ich muss zugeben, als Hotelanlage wär ich von der halb natürlichen, halb künstlichen Parklandschaft sehr angetan gewesen, so ärgere ich mich aber eher darüber, dass diese als eine der Hauptattraktionen der Insel angepriesen und auch noch Eintritt dafür gefordert wird. Auch die Casa de los Volcanes mit ihrer Ausstellung zur Entstehung der Insel und zum Innenleben der Vulkane kann daran nicht mehr viel ändern. Aber eins muss man den Jameos del Agua lassen: sie sind wirklich sehr fotogen!
Cueva de los Verdes: kleine Führung durch den größten, aber wirklich sehr unspektakulären Lavakanal Europas
Dass sie fotogen ist, kann man von der ein paar km entfernt liegenden Cueva de los Verdes, welche zum gleichen Tunnelsystem wie die zuvor besuchten Jameos und somit zum größten Lavakanal Europas gehört, wohl eher nicht behaupten. Wer hier auf eine Tropfsteinhöhle hofft, wird schwer enttäuscht. Von Stalaktiten und Stalakmiten ist weit und breit keine Spur. Auch das Grün, welches der Name verpricht, sucht man vergeblich. Dieser kommt nämlich nicht von der Farbe, sondern vielmehr vom Spitznamen der Hirten, die sich während Piratenangriffen in vergangenen Jahrhunderten hier versteckt haben sollen. Das ist dann aber auch schon die einzige interessante Information, die einem während der 1-stündigen und 2-sprachigen Führung durch das Tunnelsystem zu Ohren kommt. Dieses selbst hat auch nicht wirklich viel mehr zu bieten. Führt einem die Idee einer Grotte, in welcher Konzerte abgehalten werden, wundervolle und magische Bilder vor Augen, und wohltuende, gar fantastische Klänge ins Ohr, so erscheinen die leere Bühne und die runderherum aufgereihten Holzstühle umso karger und enttäuschend. Lediglich ein kleiner unterirdischer See sorgt dafür, dass die Enttäuschung dann doch kurzzeitig vertrieben wird. Die Spiegelung auf der Wasseroberfläche ist hier nämlich so klar, dass man sich erst unsicher ist, ob es sich nun um einen See oder aber um eine tiefergelegene Höhle handelt. Aber auch diese geheimnisvolle Illusion darf man nicht lange genießen. Ein Stein des Führers schlägt aufs Wasser auf und mit der glatten Oberfläche verschwindet in einem Nu auch jegliche Magie aus der Dunkelheit der Höhle. Auch für Fotografen ist dies mehr als ärgerlich, denn die Tour geht weiter bevor sich das Wasser beruhigt hat und so wird man sich ärgern, wenn man andern den Vortritt gelassen hatte.
Mirador del Rio: nördlichster Punkt der Insel mit Blick auf die kleine Schwesterinsel La Graciosa
Doch alle verpatzten Fotos sind schnell vergessen sobald man auf der Aussichtsplattform des Mirador del Rio steht. Hier nämlich kann einem keiner das Motiv zerstören. Aus 479 m Höhe schweift der Blick zuerst über die Insel La Graciosa mit ihren fünf Vulkanen, dann über vier weitere der Nordspitze Lanzarotes vorgelagerte Inseln, um schließlich tief unter dem Mirador bei den Salinenfeldern von El Río anzugelangen, welche, vom Wetter abhängig, in allerlei verschiedenen Farben erstrahlen. Ob sich nun aber das Eintrittsgeld für den abermals von Marique entworfenen und fast in der Landschaft verschwindenden Mirador wirklich lohnt, bleibt allerdings zu bestreiten. Denn direkt neben der Aussichtsplattform mit dem dazugehörigen Gebäude führt eine Straße entlang der Klippen ins Tal, von wo aus man einen ähnlich schönen Ausblick genießen kann. Wer sich also nicht speziell von der immer gleichen Architektur Manriques begeistern lässt und es eher uninteressant findet, dass man im ganzen Gebäude (von der Bar, über die Treppenstufen, bis hin zum Parkplatz) keine rechten Winkel vorfindet, der sollte sich zweimal überlegen, ob er den Eintrittspreis zahlen möchte, wenn er denn nicht sowieso eine Kombikarte besitzt.
Monte Corona: Spaziergang durch die Weinberge mit Kratererkundung
Wer jetzt, wie wir, genug hat von Menschenmassen und Manrique, der fährt ins verschlafene Dorf Yé und fragt dort nach der Kirche, welche an sich schon einen Abstecher wert ist. (Aufgepasst: das Dorf ist größer als man denkt und die Kirche wirklich nicht zu übersehen, wenn man im richtigen Ortsteil danach sucht.) Hier parkt man nun das Auto und los geht die kleineWanderung zum Krater des Monte Corona. Schon wenn man das Auto abstellt merkt mat: hier ist man endlich allein! Und auch die Tatsache, dass es keinen ausgeschilderten, ja teilweise überhaupt keinen erkennbaren Weg gibt, trägt weiter zum Gefühl der Einsamkeit und Idylle bei. Steht man vor der Kirche, geht man kurz nach links, die Hauptstraße entlang, bis rechterhand, vor dem 2. Haus ein Weg in die Weinberge einbiegt. Diesem folgt man bis er sich plötzlich zwischen den Rebstöcken verläuft und biegt dann halblinks in Richtung einer alleinstehenden Palme ab. Wenn man diese erreicht hat, ist der Weg fast geschafft. Nun heißt es, nur irgendwie zum Kraterrand zu gelangen, was sich als einfacher erweist, als gedacht. Von hier oben hat man einen schönen Blick in den etwa 40 m tiefen Schlund des Vulkans – ja ein schmaler Trampelpfad deutet sogar darauf hin, dass sich ein paar Verrückte bis hinunter gewagt haben. Dreht man dem Krater den Rücken zu, erstreckt sich die Sicht über das flache Land bis zum Atlantik. Hinunter gehts dann wieder schneller und so ist kurz darauf das Auto erreicht, welches uns (diesmal ohne unvorhersehbare Abstecher) in etwas mehr als 40 min zurück nach Puerto del Carmen bringt.
Hallo Ihr Beiden,
ich habe Euren Lanzarote-Artikel gelesen und bin enttäuscht, dass die Sehenswürdigkeiten der Insel so runtergenacht werden. Wie würde die Insel ohne Cesar Manrique aussehen? Eine Wüste aus Lava und Asche, irgendwelche Löcher im Boden, die vielleicht gar nicht richtig zugänglich wären. Wir fanden das eine großartige Leistung, was Manrique aus dieser Landschaft gemacht hat. „Seine“ Sehenswürdigkeiten sind einfach nur genial ausgedacht und umgesetzt. Zudem hat Manrique dafür gesorgt, dass Lanzarote keine Bettenburgen und Werbetafeldschungel hat, was den Reiz der Insel bewahrt hat.
Manchmal sollte man die Dinge auch einmal aus einem anderen Blickwinkel sehen.
Ich gebe dir vollkommen recht, dass die architektonischen Leistungen Manriques und besonders deren Einbindung in die Landschaft schon sehr beeindruckend ist. Allerdings fanden wir´s eben schade, dass dies so ziemlich die einzigen Sehenswürdigkeiten der Insel waren. Wir hatten uns auf einsame Wanderungen durch unberührte Lavalandschaften gefreut und stattdessen wurden wir im stickigen Bus umherkutschiert und mussten an allen (Manrique!) Sehenswürdigkeiten Schlange stehen und und mit einem Haufen anderer Touristen um das beste Foto schlagen. Aber wir haben´s ja auch ganz klar gesagt: Wir sind wohl nicht gemacht für Pauschalurlaub und die liebsten Inseln der Europäer.