Robben Island – Gedenken an ein Schreckgespenst namens Apartheid
Robben Island! Wohl kaum ein anderer Name wird so eng mit dem Unterdrückungssystem des Apartheid-Regimes in Verbindung gebracht. Dabei ist die Insel nicht wirklich beeindruckend. 3 km lang, 2 km breit, und nur knapp 6 km vom Strand von Kapstadt entfernt – da könnte man sich fragen: Warum sind die Gefangenen nicht einfach in die Freiheit geschwommen? Okay, die Strömung ist nicht gerade sanft und der Bestand an Great White Sharks schon ordentlich, aber ein Freiheitskämpfer sollte doch kein Weichei sein!
Robben Island war das Gefangenenlager für die gefährlichsten und wichtigsten Gegner der Apartheid. 1961 wurden die ersten politischen Gegner hier eingesperrt. Es handelte sich um Mitglieder der schwarzen intellektuellen Oberschicht, d. h. um junge Jura- und Literaturstudenten. Damit es den Studenten gut ging, hatte das Afrikaanse Oberkommando die raffinierte Idee, diese schmächtigen Jungs in Zellen mit gewalttätigen Schwerverbrechern zu sperren. So hatten alle ihren Spaß!
Dass es auf Robben Island nicht allzu cosy war, wird einem bereits an der Waterfront klar, wenn man dort die kleine Fähre besteigt. Maximal 130 Touristen werden mitgenommen, mehr Platz ist auch nicht! Für den Gefangenentransport nahm man dasselbe Schiff. Allerdings wurden damals etwa 400 Leute aufeinander gepfercht.
„Ons dien met trots“ – „Wir dienen mit Stolz“
Diese Überschrift steht auf dem Eingangstor von Robben Island. Jeden Tag 12 Stunden Steine klein schlagen, da muss man wohl stolz auf seine Arbeit sein. Die Umstände im Steinbruch waren sogar derart miserabel, dass Nelson Mandela dauerhafte Augenschäden davontrug.
Insgesamt ist Nelson Mandela der rote Faden jedes Robben Island Besuches. Hier entstand der erste Teil seines Buches A long walk to Freedom, hier wurde er über 18 Jahre lang festgehalten, hier formte sich die erste Post-Apartheid Regierung (Mandela hob 1994 11 Mithäftlinge in den Ministerstand). Das absolute Highlight soll dann auch die winzige Zelle von Madiba sein. Da aber alle Zellen gleich aussehen, bleibt der Sehenswürdigkeitsgrad leicht eingeschränkt.
Eine Rundtour über die Insel ist jedoch ein Must für jede Südafrikareise. Dabei ist das Gefängnis nicht wirklich sehenswert. Viel spannender sind die Zeitzeugen! Ehemalige Wärter oder Gefangene führen die Besucher über die Insel und teilen ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit der Reisegruppe. Wir bekamen 2 ehemalige Häftlinge. Der erste wurde täglich von kriminellen Mitgefangenen verprügelt – und das 5 Jahre lang. Der zweite war ein Mitglied der Umkhonto we Sizwe, des bewaffneten Widerstandes der ANC. Nach seiner Verhaftung, verhörte der Geheimdienst des Apartheid-Staates auch seinen Vater (der nichts mit der Organisation zu tun hatte) und schoss ihm ohne Grund in den Rücken. Der Mann kann bis heute nicht gehen, und das in einem Land, wo ein Sozialstaat nicht wirklich existiert.
Apartheid: Spuren gibt es überall
Man muss jedoch nicht unbedingt nach Robben Island fahren, um die Spuren der Apartheid zu sehen. Überall im Land erinnern Gedenkstätten an die Greueltaten des Regimes. So findet man in Kapstadt noch zahlreiche Parkbänke mit der Aufschrift: Slegs Blankes / Europeans only. Zudem erinnert das District 6 Museum an die Zwangsumsiedlung der schwarzen und farbigen Bevölkerung. Die 60‘000 ehemaligen Einwohner dieses Stadtviertels sind zuerst nur eine unpersönliche Zahl, doch die gut gelungene Darstellung ausgewählter Einzelschicksale macht das Unmenschliche dieses Aktes deutlich.
Gleichzeitig gibt es im Rest des Landes, besonders aber im Westkap und Freistaat, zahlreiche Monumente zu Ehren der Afrikaner (der Afrikaans-sprechenden weißen Oberschicht), die nicht selten aus der Zeit der Apartheid stammen, und bei großen Nostalgie-Pilgerfahrten der Boeren noch heute geehrt werden. Wer sich, wie ich, viel mit der Geschichte der Apartheid auseinander gesetzt hat und fließend Afrikaans spricht, bekommt auf diese Weise einen besonders tiefen Einblick in die heiklen politischen Verhältnisse, welche bis in die Gegenwart andauern.