Stuffing doesn’t need to be stuffed anymore – mein erstes amerikanisches Thanksgiving
In seinen Streiflichtern aus Amerika gesteht Bill Bryson, dass unter allen amerikanischen Feiertagen, ihm Thanksgiving mit Abstand der Liebste ist. Warum? Weil man eigentlich gar nichts feiert! Man muss nicht in die Kirche gehen, keine Geschenke besorgen, muss nicht auf dem Dachboden nach Lichterketten kramen, und sich auch nicht besonders aufbretzeln. Warum man feiert? Die wenigsten haben auch nur die geringste Ahnung. Hauptsache, die Familie kommt zusammen und die Bäuche werden gefüllt.
‚Stuffing doesn’t need to be stuffed anymore.‘ So lautete 2011 die ernüchternde Erkenntnis an meinem ersten Thanksgiving in den USA. Ja, Ihr habt richtig gehört! Vorbei sind sie, die guten alten Zeiten, wo Mr Bean samt seiner Uhr im Innern des gerupften Federviehs verschwinden konnte. Denn heute serviert man nicht nur die Füllung separat, auch der Truthahn musste Federn lassen. Statt des imposanten Tieres in der Mitte des Tisches bekam ich nur Fleischfetzen zu Gesicht. Sind die Amerikaner wirklich so faul geworden? Oder denken sie einfach nur praktisch? Denn wenn man die Füllung nicht mehr in den Truthahn stopft, kann man gleich drei verschiedene auftischen. Super, nicht? Aber wie soll man sich da nur entscheiden?
Keine Zeit zum Überlegen. Schon kommt der Nachtisch. Mein Beitrag und ganzer Stolz! Aus Angst, die traditionelle Pumkin Pie zu versemmeln, hatte ich die modernere Variante gewählt: Kürbis-Mousse, serviert in einem – haltet euch fest – echten Kürbis! Ja, ich konnte mir wirklich selbst auf die Schulter klopfen. Zur Sicherheit hatte ich aber auch hier noch einen Plan B in der Hinterhand: leckere Schoko-Mousse in 2 Farben. Und so kam es, wie es kommen musste. Der Kürbis blieb weitgehend unberührt!
Ja, sind die Amis denn wirklich so wenig auf Traditionen bedacht? Oder halten wir Europäer einfach zu sehr an Klischees fest? Aber auch zum Schmollen blieb keine Zeit, denn kurz darauf klingelte das Skype-Telefon. Der Vater des Gastgebers wollte kurz nachschauen, wie es bei uns denn so laufe. Bei ihnen seien vor einer Stunde alle über 50-jährigen Männer gemeinsam nackt in den Whirlpool gehüpft. Nun seien aber alle brav wieder angezogen. Und bereit für die Live-Übertragung des traditionellen Thanksgiving Football Games. Anscheinend die einzige Tradition, die kein Ami missen möchte.
Und so verbrachte auch ich den Rest des Abends mit hochgelegten Füßen und schmerzendem Magen vor dem Fernseher. Mein erstes echtes amerikanisches Thanksgiving war also ein voller Erfolg!