Berlinale vs. Boddinale – Ein cinematographisches Kontrastprogramm
Seit Donnerstag ist es wieder so weit! Die 64. Berlinale lockt Schauspieler und Filmkritiker von Rang und Namen in die Hauptstadt! Doch während sich in der Stadtmitte die Stars gegenseitig die Show stehlen, trifft sich das echte Berlin in der Boddinstraße Nr.60. Hier findet nämlich dieses Jahr zum 2. Mal die Boddinale statt, das alternative Pendant zum namhaften Bruder. Wir haben beide (rote) Teppiche besucht, und machen für Euch den Vergleich!
Hollywood in Berlin – Attraktive Männer, protzige Autos und viel, viel graues Haar
18:05. In wenigen Minuten startet im Berlinale Palast die Europapremiere von Clooney´s neuestem Projekt Monuments Men. Dieses Jahr der Film mit dem größten Staraufgebot. Matt Damon, Bill Murray, John Goodman, Jean Dujardin und sogar Clooney selbst geben sich die Ehre. Doch bis jetzt noch keine Spur von den Hauptdarstellern. Trotzdem stehen sich hunderte Menschen seit Stunden die Füße in den Bauch. Wir mischen uns unter das gemeine Fußvolk, das man hier nicht einmal in Sichtweite des Teppiches lässt. Doch das scheint kaum jemanden zu stören. Wenn Hollywood kommt, nimmt man eben so einiges in Kauf.
Plötzlich fährt ein schwarzer Audi vor. (Wie ich das als Frau erkannt habe? Das deutsche Autohaus wirbt ganz unauffällig im Hintergrund mit einer markeneigenenen Lounge.) Ein Raunen geht durch die Menge. Und tatsächlich: Irgendwo über den Köpfen der anderen Schaulustigen erspähe ich die graue Haarpracht des ehemaligen sexiest man alive. Auf der Fernsehleinwand, versteht sich! Trotzdem ist das Gekreische groß. Und dann: Nein! Ist er es wirklich? Da! Da! Und schon steht er vor uns. Nur 5 m trennen mich von Hollywoods feschstem Grauträger. Okay, ganz so faszinierend wie es jetzt klingen mag, war es dann doch nicht. Und eigentlich war ich die ganze Zeit (etwa 20 Sekunden, um genau zu sein) damit beschäftigt, nicht umgerempelt zu werden und mein Kameraobjektiv vor wild herumfuchtelnden Ellbogen zu schützen. Aber immerhin: ich habe ihn gesehen! Wenn auch nur durch die Linse meines Fotoapparates. Vom Film selbst haben wir natürlich nichts mitbekommen. Die Tickets waren schon seit Wochen ausverkauft.
Skinnyjeans und Karohemd – Zu Besuch auf der 2. Boddinale in Berlin-Neukölln
Während man auf der Berlinale Wert auf glänzende Anzüge und oscarreife Abendroben legt, die im Blitzlichtgewitter gekonnt in Szene gesetzt werden, beherrschen in Neukölln Skinny Jeans und Karohemd das allgemeine Bild. Im Loophole geht es halt ein paar Nummern legerer zu. Keine Spur von hysterischen Teenies und unfreundlichen Bodyguards. Mit einem Rollberger in der Hand, mischen sich Regisseure und Hauptdarsteller unter die gechillte Meute, erzählen vom letzten Kneipenbesuch und den Kumpels, die da irgendwo in Budapest ein ganz tolles Projekt am Laufen haben. Trotzdem (oder gerade deshalb) ist der Andrang auf der Boddinale mehr als beeindruckend. In drei verschiedenen Räumen drängt man sich um improvisierte Leinwände und versucht mit allen Mitteln, noch einen Sitzplatz auf einem Bierkasten zu ergattern. Die Sofas sind längst überfüllt.
Von sehr kunstvollen Kurzfilmen bis zu komplett improvisierten Aufnahmen in Spielfilmlänge ist auf der Boddinale wirklich alles vertreten. Jeder darf mitmachen. Wenn er denn zur Szene gehört. Aber auch das nimmt hier keiner so genau. Mit genügend Alkohol im Blut, werden auch die Trennlinien unscharf. Und so finden in den, stark an ein typisches Neuköllner Hipster-Café erinnernden Veranstaltungsräumen des Loophole in diesen Tagen alle Platz, die mit dazugehören möchten, oder, wie wir, eben einfach gerade in der Gegend waren.
Festzuhalten bleibt: Die beiden Filmfestivals repräsentieren Berlin in seinen unterschiedlichsten Facetten. Während in Mitte und am Kurfürstendamm alles glitzert und glänzt, steht man in den Trendbezirken auf Gammellook und Zigarettenrauch. Aber genau diese Gegensätzlichkeit ist es, was viele an Berlin fasziniert, und unseren Berlinale/Boddinale-Tag zu einem interkulturellen Experiment der Höchstklasse werden ließ.